Gartentherapie in der Kinder- und Jugendhilfe St. Mauritz
Die Kinder- und Jugendhilfe St. Mauritz in Münster hat sich zum Ziel gesetzt die Themen Klima- und Umweltschutz und Nachhaltigkeit als Querschnittsaufgabe in der Einrichtung zu etablieren. Anfang 2024 startete die Gartentherapie in der Einrichtung. Geleitet wird diese von einer ausgebildeten Gartentherapeutin.
Was ist Gartentherapie?
Die Gartentherapie ist ein therapeutischer Ansatz, der auf der heilenden Wirkung der Natur basiert. Sie nutzt die aktive oder passive Beschäftigung mit Pflanzen und der natürlichen Umgebung, um das körperliche, geistige und soziale Wohlbefinden zu fördern. Ursprünglich in der Rehabilitation und Altenpflege eingesetzt, gibt es erste punktuelle Projekte dazu in der Kinder- und Jugendhilfe - so auch in der Kinder- und Jugendhilfe St. Mauritz in Münster.
Im Mittelpunkt steht die Arbeit mit Pflanzen: Säen, Pflanzen, Pflegen und Ernten. Diese Tätigkeiten erfordern Geduld, Sorgfalt und Ausdauer - Fähigkeiten, die im Alltag oft fehlen oder nicht ausreichend gefördert werden können. Gleichzeitig ermöglicht der Garten als geschützter Raum ein unbeschwertes zielorientiertes Lernen und Erleben unter fachlicher Anleitung der Gartentherapeutin. Die Kinder und Jugendlichen erhalten ihren eigenen exklusiven Entdeckungs- und Entwicklungsraum im wöchentlichen Einzeltermin im Therapiegarten oder in der Holzwerkstatt.
Therapeutische Ziele der Gartentherapie
- Emotionale Stabilisierung: Der Garten wirkt beruhigend und bietet Raum für Rückzug.
- Stärkung der motorischen Fähigkeiten: Körperliche Arbeit fördert Kraft, Geschick und Ausdauer.
- Wissensvermittlung: Kinder lernen über Pflanzen, Jahreszeiten und Umweltschutz.
- Selbstwirksamkeit und Selbstbewusstsein: Erfolgreich gemeisterte Aufgaben stärken das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten.
Gartentherapie in der Praxis: Ganzheitliches Lernen mit allen Sinnen
Die Natur ist weit mehr als ein Rückzugsort - sie ist eine einzigartige Lernumgebung. Der Garten bietet Raum, um durch praktisches Tun und Be-Greifen Erfahrungen zu sammeln. Doch was hat Gärtnern mit Mathe, Naturwissenschaften oder Persönlichkeitsentwicklung zu tun?
Kraftvoller Einsatz
Mit Spaten und Schaufeln lässt sich Frust und Ärger abbauen. Durch die körperliche Arbeit können die Kinder und Jugendlichen angestaute Energie loswerden und in produktive Bahnen lenken. Gleichzeitig werden motorische Fähigkeiten wie Kraft und Koordination gefördert.
Konzentrierte Pflege
Beim Säen und Pflegen entwickeln die Kinder und Jugendlichen Geduld und Verantwortungsbewusstsein. Sie lernen, dass es Zeit und gute Pflege braucht, bis aus einem Samen eine Pflanze wird. Das schult Durchhaltevermögen und fördert die Fähigkeit, Geduld zu entwickeln und langfristige Ziele im Blick zu behalten, auch im eigenen Leben. Die Kinder und Jugendlichen üben sich darin, aufmerksam zu beobachten und Veränderungen in der Natur wahrzunehmen.
Natürliche Neugier
Kleine Gartenhelfer wie Insekten werden mit Forscherdrang untersucht. Diese Beobachtungen fördern das naturwissenschaftliche Verständnis und wecken Begeisterung für biologische Zusammenhänge. Die Kinder und Jugendlichen lernen, wie wichtig das Zusammenspiel von Pflanzen, Tieren und Menschen für die Umwelt ist. Alltagspraktische Erkenntnisse sind bei all dem inbegriffen: Beim Abmessen der Beete, dem Berechnen von Pflanzabständen oder beim Bau von Vogelhäuschen wird Mathe ganz praktisch erfahrbar.
Soziale Kompetenz
Über das Jahr verteilte Gemeinschaftsaktionen fördern Teamarbeit, Kommunikation und Problemlösungskompetenzen und schaffen gemeinsame Erinnerungen, so zum Beispiel beim gemeinschaftlichen Bauen und Befüllen von Beeten oder der Vorbereitung und Durchführung von Gartenfesten.
Gesunde Ernährung
Der Anbau von eigenem Gemüse, Obst, Kräutern und Salat kann dazu beitragen, das Interesse an abwechslungsreicher Ernährung zu wecken und die eigene Ernte wertzuschätzen.
Erfahrungen und Entwicklungen im ersten Gartenjahr.
Erfahrungen und Entwicklungen im ersten Gartenjahr
Das vergangene Jahr war in der Kinder- und Jugendhilfe St Mauritz ein besonderes Gartenjahr. Schon zuvor spielte das Gärtnern auf dem Hofgelände eine wichtige Rolle - sei es beim Gärtnern in den Balkonbeeten der Gruppen oder bei der gemeinsamen Ernte der eigenen Apfelbäume. Doch seit einem Jahr werden die gärtnerischen Aktivitäten gebündelt mit einem klaren Ziel: Kindern und Jugendlichen einen geschützten Lebensraum und Lernort zu bieten, der die eigene Entwicklung, Nachhaltigkeitsthemen, Biodiversität und Naturschutz vor Ort fördert.
Gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen entstand ein Gartenbereich mit Hochbeeten und einem Erdbeer-Kanu-Beet - in gruppenübergreifender Zusammenarbeit befüllt bei einer "Hofaktion", wo erste gemeinsame Gartenerfahrungen in großer Runde gemacht werden konnten. Durch die Kooperation mit dem NABU Münsterland, wurden erste Anbauerfahrungen mit samenfesten Bohnensorten wie "Mbombo Green", "den Schweizer Riesen" und Tomatensorten wie der "Goldenen Königin" gesammelt. Auch wenn so manche Schnecke in diesem Jahr eine Herausforderung war, war die Freude über die ersten Ernteerfolge groß und geschmackvoll!
Garten und Natur sind für Kinder und Jugendliche mit belasteten Lebenserfahrungen in der Regel kein bekannter Lebensraum. Manche nutzen von Beginn an sofort die Möglichkeit, sich beim Schaufeln, Jäten oder Gießen körperlich "abzurackern". Andere sind absolut zögerlich, weil sie noch nie Erde in den Händen hatten. Und fast allen Kindern und Jugendlichen ist gemeinsam: Die Aufmerksamkeitsspanne ist erfahrungsgemäß kurz. Gartentherapie braucht hier einen langen Atem - und die Gartentherapeutin einen aufmerksamen Blick auf das, was das jeweilige Kind oder der jeweilige Jugendliche an Interessen, brachliegenden Talenten und Bedürfnissen mitbringt und Schritt für Schritt entwickeln kann. So können die Grundlagen zwischenmenschlichen Vertrauens neu gelegt werden, neue Bindungserfahrungen gemacht und positive Erinnerungen geschaffen werden.
Ein Blick in die Zukunft
Obwohl das Gartenjahr aktuell in den Wintermonaten im Ruhemodus ist, sind spannende Winterprojekte in der Holzwerkstatt geplant. Dort können die Kinder und Jugendlichen ihre Kreativität ausleben und neue Fähigkeiten im Umgang mit Handwerkszeugen und unterschiedlichen Materialeien erlernen. Im kommenden Jahr soll der Therapiegarten weiter ausgebaut werden. Auf rund 220 m² entsteht ein Ort, der gleichermaßen Raum für Entspannung, Kreativität und Lernen bietet. Die bislang vorhandenen Hochbeete wurden bereits gut genutzt - jetzt darf der Garten weiterwachsen. Aktuell wird ein naturnaher Arbeitsbereich geschaffen mit Glasdach, Arbeitstisch und Aufenthaltsmöglichkeit. Geplant ist außerdem, Bienenhotels zu bauen und aufzustellen, ein Sandarium einzurichten, Kräuterbeete anzulegen, einen Wasserspielbereich zu gestalten und mehr.
Das Ziel ist es, eine ganzheitliche Förderung zu ermöglichen, die weit über die Gartenarbeit hinausgeht. Gemeinsam Wurzeln schlagen und aufblühen - das ist die Vision für die Kinder und Jugendlichen in der Kinder- und Jugendhilfe St. Mauritz. Mit viel Engagement, Freude und einer Prise Gartenglück freuen wir uns auf weitere erfolgreiche Gartenjahre!
Petra Sternberg
Diplom Sozialarbeiterin
Traumapädagogin, Gartentherapeutin